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Das Geschichtsprofil Q2 (2024/25) gewinnt einen Förderpreis des Bundespräsidenten

Geschichtsprofil gewinnt einen Förderpreis Schleswig-Holstein beim Geschichtswettbewerb 2024/25 des Bundespräsidenten zum Thema „Bis hierhin und nicht weiter!? Grenzen in der Geschichte“

Im Rahmen eines Abschlussprojektes im Seminarfach haben wir, das Geschichtsprofil von Frau Günther, uns im Herbst 2024 dazu entschieden, der Leitfrage nachzugehen, ob und wie unsere Vorfahren in den Nationalsozialismus eingebunden waren. Die aktuelle politische Lage und ein Artikel der ZEIT “War Opa ein Nazi?” bestärkten diese Entscheidung: “Mehr als zwei Drittel der Deutschen glauben laut einer Studie, dass ihre Vorfahren keine NS-Täter waren.” - Aus diesem Zitat entwickelte sich für die Klasse die Frage nach der nationalsozialistischen Vergangenheit der eigenen Familie.
Unser mehrmonatiger Rechercheprozess verlief sehr individuell.

Wir forschten sowohl intensiv innerhalb unserer Familien, als auch in Archiven, wie dem Bundesarchiv, dem Militärarchiv Freiburg, den Landesarchiven Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen, dem NS-Opfer Arolsen Archiv, sodass eine Vielzahl unterschiedlicher Primärquellen entdeckt wurde. Es entstand eine Sammlung aus Originaldokumenten, Briefen, Biografien, Filmen und Fotos zu unseren Urgroßeltern, vornehmlich den Urgroßvätern, welche wir mit Hilfe der im Geschichtsunterricht erworbenen Kenntnisse ausgewertet haben. Die Wahl fiel auf die Urgroßväter, weil deren Leben durch den Militärdienst und die berufliche Tätigkeit weitaus besser dokumentiert war als das Leben der Urgroßmütter, die sich zumeist der Care-Arbeit innerhalb der Familie gewidmet hatten, welche meist nicht dokumentiert war.

Anfang Januar 2025 fassten wir die gesammelten Informationen in Form von Portfolios zusammen. Ein Überblick wurde möglich und zeigte, dass in der Klasse eine große Bandbreite von unterschiedlichen Lebensläufen, die verschiedene Positionen gegenüber dem NS Regime abbildeten, bestand, die in vielen Punkten große Übereinstimmungen boten. So ergab sich für uns eine Gruppeneinteilung in Opfer, Mitläufer und überzeugte Nationalsozialisten. Doch auch innerhalb der einzelnen Gruppen waren deutliche Unterschiede in den Lebensläufen der erforschten Persönlichkeiten erkennbar. Täter war nicht gleich Täter und Opfer nicht gleich Opfer. Sie alle erlebten individuelle Schicksale, die uns als Klasse zunehmend in ihren Bann zogen.

Wir erstellten jede/r einen Steckbrief und rekonstruierten den Lebenslauf unserer Urgroßeltern. Darauf versuchten wir deren Motive für eine mögliche Verstrickung in den Nationalsozialismus zu erarbeiten, nicht zuletzt um zu dokumentieren, dass bloßes, passives Hinnehmen einer Ideologie bereits eine Mittäterschaft darstellt, da sich Widerstand gegen ein System erst in aktivem Handeln zeigt.

Ausgehend von Harald Welzers Annahme, dass ein Großteil der Bevölkerung während der Herrschaft der Nationalsozialisten durch passives Verhalten ein diktatorisches System aufrechterhalten hat, wollten wir herausfinden, inwiefern unsere Großeltern das System passiv mitgetragen und aufrechterhalten oder aktiv gefördert haben. Laut Longerich gibt es „keine Zuschauer, es gibt auch keine Unbeteiligten. Es gibt nur Menschen, die gemeinsam, jeder auf seine Weise - der eine intensiver und engagierter, der andere skeptischer und gleichgültiger - eine gemeinsame soziale Wirklichkeit herstellen.“

Weiterhin wollten wir ergründen, auf welche Grenzen wir bei der Recherche zu unseren Vorfahren stoßen würden und ob/wie wir diese überwinden könnten.

Das Projekt konfrontierte uns mit verschiedenen Grenzen. Landesgrenzen, Grenzen der subjektiven Wahrnehmung, Grenzen der Recherchemöglichkeit und Grenzen der Aufzeichnung. Trotz dieser Grenzen war es uns möglich, sehr umfassend zu recherchieren und zahlreiche Erkenntnisse zu gewinnen, die unseren Familien bisher nicht bekannt waren.

Von Seiten dieser bestand ebenfalls großes Interesse, vor allem von denen, die die recherchierten Personen persönlich kannten. Es kristallisierte sich zunehmend heraus, dass die Recherche der entscheidendste erste Schritt zur Erinnerungskultur einer Familie darstellt, welche in der heutigen polarisierten Zeit - 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges und der Befreiung von Auschwitz - wichtiger ist als je zuvor.

Wir müssen uns erinnern, denn “wo die Freiheit nicht beizeiten mit großem Einsatz verteidigt wird, ist sie nur um den Preis schrecklich hoher Opfer zurückzugewinnen.” (Willy Brandt 1989). Wir wollen uns erinnern, wir überwinden Grenzen dort, wo sich die Geschichten von Einzelpersonen zu einer gemeinsamen Geschichte verbinden. Es ist der Pluralismus der Individuen, der Geschichte ausmacht, selbst in einem antiindividualistischen System wie dem Nationalsozialismus.

Von dieser Seminar-Recherche war der Weg zum Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten nicht weit. Unser Beitrag im Rahmen des diesjährigen Themas „Bis hierhin und nicht weiter!? Grenzen in der Geschichte“ wurde mit einem Förderpreis des Landes ausgezeichnet.

Mailin Müller & Sarah Tietze & Isabella Günther

 

Diesen Text kann man unter folgendem Link herunterladen:

Download: Informationen zur Umsetzung des Geschichtswettbewerbes

 

Nachfolgend findet man Links und Bilder vom Wettbewerb und der Preisverleihung, die am 09.07.2025 im Rathaus in Kiel stattfand:

https://koerber-stiftung.de/projekte/geschichtswettbewerb/ergebnisse-2025/

https://koerber-stiftung.de/site/assets/files/29756/2025_schleswig-holstein_preisbeitraege.pdf